Was kann ein Journalist, was Künstliche Intelligenz (KI) nicht kann?

Antwort der KI: Während KI leistungsfähig in der Datenanalyse und Informationsverarbeitung ist, haben Journalisten einzigartige Fähigkeiten in kritischem Denken, ethischer Urteilsfähigkeit, investigativer Recherche, kreativem Storytelling, Empathie, persönlicher Verantwortung und kulturellem Verständnis, die KI derzeit nicht vollständig nachahmen kann.

Eine überzeugende, fast schon demütige Antwort. Die Antworten der generativen Sprachmodelle sind (meistens) erstaunlich gut – hinterlassen gar den Eindruck, dass diese sich selbst unterschätzen. Vielleicht «spricht» diese KI deshalb von «derzeit nicht vollständig». Was also bleibt den Journalisten künftig noch? Die Fragen.

"Man muss viel gelernt haben, um über das, was man nicht weiss, fragen zu können.Jean-Jacques Rousseau, Schweizer Philosoph und Schriftsteller

KI führt aus: Dieses Zitat betont, dass bereits ein tiefes Verständnis und eine fundierte Bildung notwendig sind, um seine eigene Unwissenheit zu erkennen und gezielte Fragen zu stellen, die zu einem tieferen Verständnis führen. Sokrates lässt grüssen.

Das «Prompt Engineering», also die präzise, kontextualisierte Formulierung einer Frage, ist nicht erst seit Aufkommen der Sprachmodelle wie Chat GPT relevant, geht indes im Austausch mit «menschlicher Intelligenz» weit darüber hinaus und nimmt gleichzeitig mehrere Perspektiven ein: jene des Interviewpartners, des Zielpublikums und des Auftraggebers – sofern sich die fütternde Hand nicht beissen lässt. KI verzeiht ahnungslose, abgedroschene, kompromittierende Fragen. Menschen nicht. Im Gegenzug: Hat ihnen die KI schon mal wie folgt geantwortet: «Wow, das ist eine sehr inspirierende Frage, die mich gleich noch zu einem Anschlussthema führt…»? Oder: «Das erzähle ich Ihnen nur off the record.»?

 

Der Mensch, die Quelle des Wissens, aus der sich die KI speist, verfügt über die gesamte Bandbreite an möglichen Antworten, während die KI an die Logik der Algorithmen gebunden ist. Es entsteht ein inspirierendes Gespräch mit überraschenden Wendungen über das eigentliche Thema hinaus, oder aber, es verkommt zur Phrasendrescherei bzw. Floskelschleuderei. Klassische Beispiele gibt es genug:

Frage: „Was ging Ihnen unmittelbar nach dem Torschuss durch den Kopf?»

Antwort: „Nichts. Am Ende des Tages zählt nur das nächste Spiel, und wir nehmen es wie es kommt. Fußball ist ein Mannschaftssport, und wir müssen jetzt einfach weiter von Spiel zu Spiel denken und weiterhin 110% geben.“

Eine Anschlussfrage könnte lauten: «Wenn jeder 150% geben würde, wäre gar der EM-Titel in Reichweite?»

 

Zugestanden: Diese Frage sollte nicht jedem Fussballer gestellt werden. Die Einschätzung, ob vom Gegenüber eher eine gehässige oder eine humorvolle Antwort zu erwarten ist, obliegt dem Fragesteller. Die Kunst des Fragens besteht folglich nicht nur darin, die richtigen Fragen zu stellen, sondern auch darin, die richtigen Antworten zu erhalten - egal ob Fussballer:in, Landwirt:in, Unternehmer:in oder Politiker:in.